Während der letzten dreißig Jahre hat Karate-Do in der ganzen Welt zunehmend an Beliebtheit gewonnen. Zu denen die ihr Interesse dafür entdeckten, zählen Studenten, Lehrer, Künstler, Geschäftsleute und Beamte. Karate wird sowohl von Polizisten als auch von Mitgliedern der japanischen Selbstverteidungsstreitkräfte ausgeübt.
Es ist Pflichtfach an einigen japanischen Universitäten geworden, und deren Zahl vermehrt sich von Jahr zu Jahr. Auch die Anzahl der Vereine (Dojos) in Deutschland wird immer größer.

Mit dieser wachsenden Popularität ist es auch zu einer Anzahl von Missverständnissen und beklagenswerten Erscheinungen gekommen. So wird zum Beispiel Karate oft mit dem chinesischen Boxen verwechselt, wobei die Beziehung des Karate zum ursprünglichen Okinawa-Te nicht ausreichend verstanden wird. Manche halten Karate-Do auch für einen Schaukampf, bei dem sich zwei Kontrahenten voller Wut aufeinanderstürzen, oder bei dem sich die Gegner angreifen, als sei es eine Abart des Boxkampfes, bei der auch die Füße benutzt werden dürfen.

Wieder andere brüsten sich damit, Ziegelsteine oder sonstige harte Gegenstände mit der Stirn, der Hand oder mit dem Fuß zerbrechen zu können. Es ist bedauerlich, wenn Karate nur als Kampftechnik geübt wird. Die fundamentalen Techniken des Karate sind durch lange Jahre des Übens und des Lernens entwickelt und vervollkommnet worden.

Um diese Techniken aber wirkungsvoll anwenden zu können, muß man erkennnen lernen, dass diese Kunst der Selbstverteidigung auch eine geistige Einstellung verlangt, der man sich bewußt unterwerfen sollte.

Es ist erfreulich, daß sich dieses Verständnis mehr und mehr durchsetzt und daß Karate-Do als eine ostasiatische Verteidigungskunst begriffen wird, die nur von denen erlernt werden kann, die sich ernsthaft darum bemühen.

In der Tat war es das Ziel der alten Verteidigungskunst in Okinawa, mit einem einzigen Schlag oder Fußtritt den Gegner kampfunfähig zu machen. Aber schon damals maßen die Ausübenden der geistigen Einstellung zu dieser Kunst größere Bedeutung bei als der Technik. So bedeutet Karate-Do auch heute noch ein Training des Körpers und des Geistes; dem Gegner mit Respekt und Fairneß gegenüberzutreten gehört dabei zu den wichtigsten Voraussetzungen. Es genügt nicht, nur mit ganzer Kraft zu kämpfen.

(Kara – leer)
(Te – Hand)
(Do – Weg)

Gichin Funakoshi, einer der größten Meister des Karate-Do, hat gelehrt, daß das Hinführen zu einem erhabenen Geist und einer Haltung der Demut das eigentliche Ziel dieser Kunst sei. Gleichzeitig sollte aber die Kraft entwickelt werden, um beispielsweise ein wildes Tier mit einem einzigen Schlag niederstrecken zu können.

Karate-Do als Kunst der Selbstverteidigung und als Mittel der Gesunderhaltung hat in Ostasien schon eine lange Tradition. Eine ganze neue Art dieser Kunst hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren entwickelt, nämlich das Sport-Karate. Im Sport-Karate werden Wettkämpfe abgehalten, um die Fähigkeiten einzelner Teilnehmer festzustellen.An sich ist das zu bedauern, da die Tendenz vorherrscht, sich zuviel auf das Gewinnen von Wetttkämpfen zu konzentrieren. Wer das tut, vernachlässigt oft das Üben der Grundtechniken und versucht sich zu früh im Jiyu Kumite, im freien Kampf. Die große Bedeutung, die man den Siegen in Wettkämpfen beimißt, beeinflusst notwendigerweise die Grundtechniken, die ein Karate-Schüler anwendet und auch die Art und Weise, wie er sie anwendet. Darüber hinaus wird wohl auf Dauer der Übende nicht in der Lage sein, die starke und wirkungsvolle Karatetechnik auszuführen, die doch das Ziel des Karate-Do ist.

Derjenige, der zu früh mit Jiyu-Kumite anfängt – ohne vorher die fundamentalen Techniken ausgiebig geübt zu haben, wird schnell von dem überholt, der die Grundtechniken lange und eifrig trainiert hat.

Es gibt einfach keine andere Möglichkeit, als ernsthaft und unter Anstrengung zu trainieren, Schritt für Schritt und Technik um Technik die Grundlagen zu erlernen und sich mit Ihnen vertraut zu machen.


Wa – die innere Harmonie

Dem Weg (Do) der Kampfkünste (Budo) ein Leben lang zu folgen, um eine immer bessere Harmonie von Geist und Körper zu erreichen, das heißt auch, sich klug auf die Jahreszeiten des Lebens einzustellen.

So beruht das Training im Frühling des Lebens mehr auf körperliche Kräften, dann wird es technischer und reifer im Sommer, leichter im Herbst und endlich ruhiger sowie auf innere Empfindungen eingestellt im Winter.

Den Weg des Karatedo zu gehen, das bedeutet auch, frühzeitig von Kraft zur Weichheit überzugehen, vom Äußeren zum Inneren, um seine Energie optimal zu verwalten.

Weisheit beginnt an dem Tag, an dem man endlich aufhört endlos zu versuchen, den anderen etwas zu beweisen.

Nur dann wird auch das Praktizieren einer Kampfkunst zu menschlicher Vollkommenheit führen.

Ju ist das japanische Wort für körperliche Weichheit. Das paßt einem jungen Übenden am besten, ist er doch noch formbar und offen. Wa ist ein Begriff der besser zum fortgeschrittenen älteren Karateka paßt. Wa ist ein Privileg der Zeit, des Alters, der Geduld…

Wa bezeichnet das japanische Prinzip von Harmonie, inneren Frieden, Einklang zwischen der kosmischen Energie und den menschlichen Kräften. Wa ist Sanftmut des Geistes, die zur Harmonie mit sich selbst und mit den anderen führt – also der Schlüssel zum Frieden. So wird der Mensch, der langsam und mit Geduld den Weg geht, ein neuer Mensch.

So sollte der Weg eines Schwarzgürtel Trägers in der Kunst des Karatedo aussehen. Und nur so!

Dieser Weg ist eine Lebenseinstellung. Deswegen bleibt der wahre Meister auch immer Schüler: Er ist sich sein Leben langss, daß das Erstaunen – ob mit 20 oder mit 70 – der Anfang des Wissens bleibt.

zusammengefasst von Stefan Kremp
Quellen:    Nakayama, Habersetzer